Tag des offenen Denkmals am 8. September in Potsdam
Im Vorfeld des Tags des offenen Denkmals am 8. September 2013 stellt die Landeshauptstadt Potsdam, vertreten durch Mitarbeiter der Unteren Denkmalschutzbehörde, gemeinsam mit engagierten Eigentümern, Bauherren und Architekten, Vereinen und Institutionen als „Warm up" wöchentlich in einer Serie einzelne Stationen oder Führungen vor.
Die diesmal vorgestellte Führung zu den Wohnhäusern der 1930er Jahre findet zum Tag des offenen Denkmals am 8. September 2013 um 11 und um 14:00 Uhr statt. Treffpunkt ist jeweils der Bahnhof Griebnitzsee. Weitere Informationen zu der deutschlandweiten Veranstaltung und zum Programm erhalten Sie unter www.tag-des-offenen-denkmals.de. Das Programm für Potsdam wird ab Mitte August auch auf den Internetseiten der Landeshauptstadt Potsdam veröffentlicht.
Zu Unrecht wird die Wohnhausarchitektur der 1930er Jahre häufig verallgemeinernd als NS-Architektur diffamiert. Die Einfamilienhäuser dieser Zeit folgen vielmehr unterschiedlichen Strömungen zwischen Moderne und Traditionalismus und sind nicht den monumentalen öffentlichen Bauten gleichzusetzen. Am Tag des offenen Denkmals führt Herr Dipl.-Ing. Jörg Limberg, Mitarbeiter der Unteren Denkmalschutzbehörde, zu ausgewählten Bauten der 1930er Jahre. An anschaulichen Beispielen soll belegt werden, dass diese Vielfalt in Berlin und im Umland besonders stark ausgeprägt war. Nicht alle Wurzeln der Weimarer Republik waren mit dem Jahr 1933 ausgerottet, nicht alle Architekten und Bauherren haben sich dem sehr undifferenzierten Architekturdiktat der Nationalsozialisten untergeordnet.
Das besuchte Areal entlang der Rudolf-Breitscheid- und Stubenrauchstraße war ursprünglich auch für eine Villenbebauung vorgesehen. Wilhelm Böckmann, der Mitbegründer der Villenkolonie Neubabelsberg, behielt jedoch den größeren Teil des Gebiets entlang des Griebnitzsees für eigene Zwecke und baute eine bestehende Villa um, ergänzte sie durch Remise, Gewächs- und Pförtnerwohnhaus und ein parkartiges Gelände zu dem Anwesen „Böckmanns Hof". 1922 erwarb die Terraingesellschaft Neubabelsberg das Gelände von den Erben und begann es zu parzellieren. 1929 wurde zur besseren Erschließung die Stubenrauchstraße angelegt, die das Gelände in vernünftig bebaubare Grundstücke teilte. Die Befestigung von Fahrbahn und Bürgersteig erfolgte 1937 und bis 1939 waren die meisten Grundstücke verkauft und bebaut. Das nach der politischen Wende 1989 noch geschlossen erhaltene Bild von Wohnhäusern der 1930er Jahre hat trotz einiger Abbrüche und Neubauten seinen prägenden Charakter nicht ganz verloren.
Den Auftakt der Führung macht das Haus R.-Breitscheid-Straße 198, das in seiner Rustikalität von Kammputz, Natursteinmauerwerk, Satteldach mit brauen Dachziegeln und schmiede-eisernen Gittern und Zäunen den Vorstellungen von Blut-und-Boden-Architektur am nächsten scheint. Das modernisierte Nachbarhaus folgt dem damals sehr verbreiteten Typ des „Deutschen Hauses", das als Prototyp der sogenannten Stuttgarter Schule galt und durch den Architekten Paul Schmitthenner Goethes Gartenhaus im Weimarer Ilmpark als Vorbild auserkoren hatte.
Das Haus R.-Breitscheid-Straße 204 dagegen lässt trotz der zeittypischen Backsteinfassade auf den ersten Blick nicht die Einflüsse der englischen Landhausbewegung erkennen. Nach dem Einbiegen in die Stubenrauchstraße fällt linkerhand das große Mehrfamilienhaus Nr. 6 auf. Inwieweit die Olympischen Ringe im Tor der Einfriedung im Zusammenhang mit dem Bauherren und den Olympischen Spielen in Berlin stehen, ist unbekannt. Sie bestätigen zumindest das Baujahr 1936. Der axialsymmetrisch angelegte Backsteinbau mit Walmdach zeigt insbesondere auf der Seeseite durch eine klare Formbildung, Einschnitten an den Ecken und breite Fenster durchaus moderne Züge der späten 1920er Jahre.
In der Stubenrauchstraße 20 baute der Architekt Johannes Niemeyer, Bruder des Malers Otto Niemeyer-Holstein, für seinen Schwiegervater, den ehemaligen Reichsaußenminister der Weimarer Republik, Dr. Walter Simons, ein großzügiges Landhaus mit schilfgedecktem Gartenpavillon und ebensolchem Doppelbootshaus, gestaltete auch einen abwechslungsreichen Naturgarten mit Hügeln, Mulden und Stein- und Geröllbereichen und den zugehörigen voralpinen Pflanzengesellschaften. Mit der gartenseitig umlaufenden hölzernen Terrasse, den weit überstehenden Ziegeldächern und der betonten Verwendung von Naturmaterialien, die sich im Innern konsequent fortsetzt, erinnert das Haus an die amerikanischen Landhäuser Frank Lloyd Wrights und schafft eine sehr persönliche Interpretation der zeitbedingten Stilvorgaben.
Am Ende wird der Straßenraum von dem großen Landhaus für den Siemens-Generaldirektor Carl Köttgen bestimmt, dass die Bauabteilung des Unternehmens unter Leitung des Chefarchitekten Hans Hertlein entworfen hatte. Der konservative Backsteinbau mit Walmdach sowie Wirtschafts- und Garagenflügel wird von einem weitgehend erhaltenen originalen Garten umrahmt. Die bildkünstlerischen Werke sind mit großer Wahrscheinlichkeit dem Bildhauer und Holzschnitzer Joseph Wackerle zuzuschreiben, der an zahlreichen Siemens-Bauten in Berlin seine Spuren hinterlassen hat. Bemerkenswert sind neben der zu großen Teilen erhaltenen Innenausstattung mit Paneelen, Regalen und Vitrinen auch die modernen Gauben, die sich harmonisch in die Dachlandschaft einfügen.
Hintergrundinformation:
In über 45 Ländern Europas finden regelmäßig im August und September die „European Heritage Days" statt. In Deutschland ist dieser Tag unter dem Namen "Tag des offenen Denkmals" bekannt, der bundesweit immer am 2. Sonntag im September begangen wird. Auch in Potsdam laufen bereits die Vorbereitungen für den Denkmaltag am 8. September. In der Landeshauptstadt nimmt die Zahl der Besucher des Denkmaltags stetig zu. Im letzten Jahr interessierten sich ca. 12.000 Besucher für die 42 Einzelobjekte.
Das Ziel dieses Tages ist es, die Öffentlichkeit für die Bedeutung des kulturellen Erbes zu sensibilisieren und Interesse für die Belange der Denkmalpflege zu wecken. Vor allem Besitzer sonst nicht öffentlich zugänglicher Gebäude werden diesen Tag nutzen, um der Öffentlichkeit ihr Denkmal vorzustellen. Und für die Besucher der einzelnen Stationen ist es eine einmalige Gelegenheit, die schönen, kostbaren und gut erhaltenen, aber auch die unscheinbaren, ungenutzten und historisch negativ belasteten Gebäude näher kennenzulernen.
Potsdam, 21.08.2013Veröffentlicht von:
Stadtverwaltung Potsdam
