Gedenk- und Informationstag in der Gedenkstätte Lindenstraße
Einen Gedenk- und Informationstag unter dem Titel „Urteil ,erbkrank‘ - Vor 80 Jahren tagte das Potsdamer Erbgesundheitsgericht zum ersten Mal" haben der Beauftragte für Menschen mit Behinderung der Landeshauptstadt Potsdam und die Gedenkstätte Lindenstraße organisiert. Am 10. März um 13 Uhr wird am historischen Ort auf dem Innenhof der Gedenkstätte an die Opfer des Potsdamer Erbgesundheitsgerichts erinnert. Um 19 Uhr befasst sich der Publizist Götz Aly mit der nationalsozialistischen Konzeption von „Erbgesundheit" und ihren katastrophalen Folgen während des Krieges.
Auf den Tag genau vor 80 Jahren nahm das Potsdamer Erbgesundheitsgericht in der Lindenstraße 54 seine Arbeit auf. Einer der ersten Verhandlungspunkte war das Schicksal der 25-jährigen Eveline R. Der Direktor der Landesanstalt Potsdam hatte beim Erbgesundheitsgericht die Unfruchtbarmachung der jungen Frau beantragt. In nur wenigen Minuten war der Fall verhandelt, die vorsitzenden Richter und Ärzte beschlossen die Zwangssterilisation von Eveline R. Bis 1945 fällte diese in den Räumen der heutigen Gedenkstätte Lindenstraße tagende gerichtliche Spezialstelle für mehr als 3300 Menschen das Urteil „erbkrank". Als Grundlage diente das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses von 1933. Es bildete den Auftakt der politisch und ideologisch motivierten NS-Rassengesetzgebung.
80 Jahre später erinnern der Beauftragte für Menschen mit Behinderung der Landeshauptstadt Potsdam und die Gedenkstätte Lindenstraße an die Opfer der nationalsozialistischen „Rassenhygiene" und stellen gleichzeitig die Frage, wie heute Menschen mit Behinderung am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Hierzu organisiert die Gedenkstätte Lindenstraße von 12 bis 18 Uhr für alle Besucher einen Informationsmarkt zum Thema „Leben mit Behinderung", auf dem Vereine und Organisationen ihre Arbeit präsentieren und für Unterstützung werben.
Eine öffentliche, barrierefreie Führung wird um 17 Uhr angeboten. „Mit dem Gedenk- und Infotag wollen wir die Erinnerung an die Verbrechen wach halten. Die Zwangssterilisationen stehen unseren heutigen ethischen Vorstellungen diametral entgegen. Formulierungen wie ,unwertes Leben‘, die die Täter von damals verwendeten, verletzen die Würde der Einzelnen und die fundamentalen Grundlagen unserer Gesellschaft", so Christoph Richter.
Potsdam, 10.03.2014Veröffentlicht von:
Landeshauptstadt Potsdam
