Kinder als Drahtzieher am Großen Waisenhaus
Sonderausstellung zum Tag des offenen Denkmals: Das Drahtzieher-Handwerk und die Kinderarbeit im 18. Jahrhundert.
Waisenhaus-Museum: Die Dauerausstellung zur Geschichte des Waisenhauses von 1724 bis 1952 ist bei freiem Eintritt geöffnet.
„Handwerk hat (nicht immer) goldenen Boden. Die Gold- und Silberdrahtzieher im Großen Waisenhaus zu Potsdam“ lautet der Titel der Sonderausstellung. Alte Werkzeuge, Grafiken und Kleidungsteile aus Draht zeigen anschaulich, wie die Drahtzieher bis ins 19. Jahrhundert gearbeitet haben. Die Schau dokumentiert zudem, wie die Kinder aus dem Potsdamer Waisenhaus dieses traditionsreiche Handwerk erlernten und gleichzeitig als billige Arbeitskräfte dienten.
Jahrzehntelang war es im 18. Jahrhundert übliche Praxis, Mädchen und Jungen aus dem Waisenhaus bei Manufakturunternehmern aus Potsdam und Berlin als Arbeitskräfte einzusetzen. Zum einen sollten sie dem enormen Mangel an Arbeitskräften abhelfen, zum zweiten das jeweilige Handwerk erlernen, um später damit ihr Einkommen abzusichern. Neben der Arbeit in der Textilindustrie, im Seidenbau oder in der Gewehrmanufaktur waren zahlreiche Jungen auch in der Berliner Gold- und Silbermanufaktur als Drahtzieher beschäftigt. Sie fertigten edle und feine Drähte für Militär und Luxusindustrie. Diesem hochspezialisierten Handwerk und seiner Bedeutung für das Große Waisenhaus zu Potsdam ist die Ausstellung gewidmet.
René Schreiter, Historiker der Stiftung, führt am Tag des offenen Denkmals um 11, 13 und um 15 Uhr durch die Ausstellung und durch das barocke Treppenhaus des großen Waisenhauses. Der Architekt Carl von Gontard errichtete den Gebäudekomplex von 1771 bis 1777. Unter Kunst- und Bauhistorikern wird das Treppenhaus als eines der schönsten Europas eingeschätzt. Eine von acht Säulen getragene Kuppel, der Monopteros, krönt das Gebäudeensemble. Mit seiner vergoldeten Caritas-Figur auf der Spitze ist er stadtbildprägend für Potsdam. Gontard entwarf nur wenige Jahre nach dem Potsdamer Waisenhaus die Türme des Deutschen Doms und des Französischen Doms am Gendarmenmarkt in Berlin.
Die Sonderausstellung wird noch bis zum 9. Oktober 2015 in der Lindenstraße 34a zu sehen sein. Geöffnet Mo – Fr, 8 – 18 Uhr.
Hintergrund: 1724 gründete König Friedrich Wilhelm I. das „Große Militär-Waisenhaus zu Potsdam“. 1919 wurde es im Zuge der Versailler Verträge entmilitarisiert und trug von 1923 bis 1938 den Namen „Potsdamsches Großes Waisenhaus“. Nach diversen Umbenennungen in der Nazizeit sowie nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Stiftung 1952 aufgelöst. 1992 errichtete das Land Brandenburg sie unter dem Namen Stiftung „Großes Waisenhaus zu Potsdam“ wieder. Stiftungszweck ist die Förderung von Bildung und Erziehung für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche.
Termin: Sonntag, 13.09.2015, 10 bis 18 Uhr
Führungen: 11 Uhr, 13 Uhr, 15 Uhr
Ort: Barockes Treppenhaus im Großen Waisenhaus zu Potsdam, Lindenstr. 34a, 14467 Potsdam.
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Stiftung „Großes Waisenhaus zu Potsdam“ Bild:A) Ein Leirenzieher (Drahtzieher) in seiner Werkstatt,
