55 Jahre HFF, 20 Jahre Mauerfall - Geschichte in Filmen
Beiden Jubiläen widmet die Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ eine Veranstaltungsreihe, die am vergangenen Donnerstag im hauseigenen Kino mit einer Retrospektive der HFF-Wendefilme begann.
Lange Jahre auch an der HFF kaum beachtet laufen die HFF-Filme aus dem Herbst ’89 gegenwärtig wieder auf vielen Leinwänden im In- und Ausland. Damals teilweise auf VHS und ohne Licht fast im „Verborgenen“ gedreht, leben die Filme heute von der Authentizität der Ereignisse, den Hoffnungen wie Ängsten der Menschen vor und hinter der Kamera. Von den Fernsehbildern jener Tage, die auch aktuell so gerne zitiert werden, unterscheiden sie sich nicht nur durch die technische Qualität. Letzte Woche liefen nun Zehn Tage im Oktober von Thomas Frick und Es lebe die R... von Jörn Zielke auch wieder an der HFF.
Thomas Frick besuchte vom 03.-13. Oktober ’89 eines der Zentren des sich formierenden Widerstandes in der Berliner Gethsemane-Kirche und sprach mit Christen und Kommunisten, Opfern und Tätern, Befehlshabern und Ausführenden über Irrtümer, Lügen, Hoffnungen und offene Fragen. Entstanden ist ein auch heute noch bewegendes Zeitdokument.
Es lebe die R ... (1989) nannte Jörn Zielke seinen sehr persönlichen Film. Im Titel zitiert er eine geheime Verabredung des Drehteams. Drei Wochen begleitete er mit seinem Team die Leipziger Montagsdemos um die Nicolaikirche und sprach mit Beteiligten aus allen Lagern. Mit „Es lebe die R.“ endeten grußgleich die Telegramme, mit denen sich das Drehteam abstimmte und „R“ stand nicht für „Republik“ ...
Beide Filmemacher waren anwesend. Im Herbst 1989 waren sie Anfang bzw. Mitte 20. Jörn Zielke hatte Es lebe die R ... seit zwei Jahrzehnten nicht gesehen und war neugierig, ob der Film seinen heutigen Maßstäben noch genügen würde. „Ein einmaliges Dokument in seiner Authentizität, voll mit wackligen Bildern mitten in der Demonstration und den aufgeregten Tagen im Oktober ’89.“, findet er heute. Sein Cutter war damals übrigens Peter Hartwig, heute vor allem bekannt als Produzent vieler Andreas-Dresen-Filme.
Thomas Frick hatte in den letzten Wochen zwar mehrfach Gelegenheit, seinen Film zu sehen, aber nie im originären 16 mm Format wie jetzt an der HFF. Anders als damals hätte er heute viel mehr Verständnis für die Gegenseite, bekennt er, „denn die hatten auch Angst.“ Der Polizeioberst, der, um zu deeskalieren, „seine Jungs“ nur mit „Hose lang“ - also Ausgehuniform – auf die Straße schickte, genauso wie der uniformierte Polizist, der sich seinen Nachbarn entgegenstellen musste. Als Gast von Foren und Podien spürt Frick eine zunehmende Instrumentalisierung seines Films, der er sich bewusst verschließt. Er wünscht sich eine differenziertere Näherung an seinen Film und an die ihm zugrunde liegende Wirklichkeit.
Es sind berührend ehrliche Filme und trotz ihrer mitunter mangelhaften technischen Qualität fesselnd. Beide Filme entstanden damals unter großem Zeitdruck und ohne die komfortablen Möglichkeiten, die die Postproduktion heute bietet. Unmittelbar nach ihrer Fertigstellung liefen sie auf der Leipziger Dokwoche 1989 und wurden zusammen mit dem dritten HFF-Wendefilm Aufbruch 89 – Dresden (1989), der am kommenden Donnerstag im HFF-Kino laufen wird, mit der Goldenen Taube ausgezeichnet. Nach der Berlinale 1990 und einigen Festivals verschwanden alle drei Filme im HFF-Filmarchiv. Hoffen wir nun, dass sie nicht wieder auf ein passendes Jubiläum warten müssen.
Martina Liebnitz
Veröffentlicht von:
HFF Hochschule für Film und Fernsehen
