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Potsdam, 27.02.2013

Tack: Erster Schritt für fairen Interessenausgleich

Versicherungskundinnen und -kunden können wieder hoffen, dass ihre Ansprüche aus Lebensversicherungen gewahrt bleiben und die von der Bundesregierung geplanten finanziellen Einbußen doch noch abgewendet werden können. Eine Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses hat sich auf einen Kompromissvorschlag verständigt, der vorsieht, die Empfehlungen des Finanzausschusses zu den Bewertungsreserven vom Gesetzentwurf abzutrennen und neu zu verhandeln. „Damit wurde das von der Koalition verabschiedete Gesetz im Vermittlungsausschuss gestoppt. Das ist ein erster Erfolg“, so Verbraucherschutzministerin Anita Tack. Die Anrufung des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat zu sogenannten SEPA-Begleitgesetz war durch die Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz initiiert worden.

„Die vorgesehenen Regelungen hätten – wären sie in der geplanten Art und Weise Gesetz geworden – den Versicherungskundinnen und -kunden schwere finanzielle Einbußen von bis zu zehn Prozent einbringen können“, so Brandenburgs Verbraucherschutzministerin Anita Tack zum gestrigen Ergebnis des Vermittlungsausschusses. Bei einem Lebensversicherungsvertrag mit einer Leistung von 60.000 Euro bedeutet dies bei Ablauf einen Verlust von 6.000 Euro für den Versicherungsnehmer oder die Versicherungsnehmerin. „Der errungene Kompromiss bietet die Gelegenheit, unter neuen Voraussetzungen zu einem fairen Interessenausgleich zwischen Versicherungsunternehmen und Versicherungskunden zu kommen.“

Durch den Kompromiss werden die ursprünglich im Gesetz vorgesehenen Regelungen zum europäischen Zahlungsverkehr (Single Euro Payments Area - SEPA) von den Regelungen zu den Lebensversicherungen abgetrennt. Das ermöglicht gleichzeitig, die Regelungen zu den „Unisex-Tarifen“ umzusetzen, die nun rückwirkend zum 21. 12. 2012 in Kraft treten sollen, und drohende Vertragsverletzungsverfahren seitens der Europäischen Kommission zu verhindern. 

Die schwarz-gelbe Koalition hatte – vermutlich auf Druck der Versicherungslobby – geplant, die Beteiligung der Versicherten an den Bewertungsreserven stark zu kürzen. Eine von Brandenburg angestrebte gerechtere Verteilung der Lasten und Folgen der andauernden Niedrigzinsphase wurde von Seiten der Koalition im Vermittlungsverfahren nicht aufgenommen.

„Brandenburg wird sich im bevorstehenden neuen Gesetzgebungsverfahren weiterhin dafür einsetzen, dass Versicherungskundinnen und Kunden nicht übermäßig belastet werden und die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Beteiligung an den Bewertungsreserven eingehalten werden“, so Tack. 

 

Hintergrundinformation:

Am 8. November 2012 hat der Deutsche Bundestag das sog. SEPA-Begleitgesetz verabschiedet. SEPA steht für Single Euro Payments Area und umfasst die Einführung neuer Verfahren für den EURO-Zahlungsverkehr, insbesondere für auf EURO lautende Lastschriften und Überweisungen. SEPA soll den EURO-Zahlungsverkehr günstiger und schneller machen.

Zu der Verabschiedung dieses Gesetzes im Bundestag, das zusammen mit einer entsprechenden EU-Verordnung weitreichende Änderungen für Banken und Unternehmen zur Folge haben wird, waren nur noch wenige Bundestagsabgeordnete anwesend. Eine Aussprache fand nicht statt, die Reden zu Protokoll gegeben. Nahezu unbemerkt und im Huckepack-Verfahren zu den SEPA-Regelungen enthält der Gesetzentwurf aber Änderungen des Versicherungsaufsichtsgesetzes und des Versicherungsvertragsgesetzes von enormer Tragweite für Verbraucherinnen und Verbraucher: Eine Neuregelung der Beteiligung der Versicherten an den Bewertungsreserven der Lebensversicherer. 

Nach der derzeitigen – seit 2008 geltenden – Rechtslage sind die Versicherungsnehmer/-innen zum Ende des Lebensversicherungsvertrages zu 50 Prozent an den Bewertungsreserven („stille Reserven“) zu beteiligen. Bewertungsreserven ergeben sich aus der Differenz des aktuellen Marktwertes einer Kapitalanlage gegenüber ihrem Kaufpreis. Steigt beispielsweise der Kurs einer Anleihe während der Laufzeit gegenüber ihrem Kaufpreis, müssen auch die Bewertungsreserven steigen. Die vom Bundestag verabschiedete Neuregelung sieht nun vor, dass die Versicherer vorhandene Bewertungsreserven für sich als Stabilitätsreserve nutzen und ihre Versicherten in Umkehrung der gesetzlichen Änderung von 2008 nicht mehr daran beteiligen müssen.

 

Das bedeutet: 

Verbraucherinnen und Verbraucher sollen künftig nur noch Anspruch auf bestimmte Teile der Bewertungsreserven aus festverzinslichen Wertpapieren haben. Für alle Verträge im Bestand eines Versicherungsunternehmens, bei denen der Rechnungs- bzw. Garantiezins – dieser beträgt seit Anfang 2012 historisch niedrig 1,75 Prozent, ältere Verträge haben einen höheren Rechnungszins – oberhalb der Umlaufrendite – diese beträgt am heutigen Tag ca. 1,08 Prozent – im Zeitpunkt der Berechnung der Bewertungsreserven liegt, soll die Beteiligung ausgeschlossen werden. 

Diese unausgewogenen Änderungen zu Lasten der Verbraucherinnen und Verbraucher sollen in erster Linie, die Beteiligung der Versicherten an den Bewertungsreserven auf Kapitalanlagen in festverzinsliche Wertpapiere verhindern. 

Auf den Antrag der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz beschloss der Bundesrat in seiner Sitzung am 14. Dezember 2012, den Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag anzurufen. Ziel war, die einseitig die Versicherungskunden und Versicherungskundinnen benachteiligenden Regelungen neu zu verhandeln und einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Versicherer und Verbraucherinnen und Verbraucher herbeizuführen. Einerseits sollen die in der aktuellen Niedrigzinsphase entstehenden Belastungen der Unternehmen bewältigt werden, aber andererseits sollen diese Belastungen nicht einseitig auf die Versicherten abgewälzt werden. Für den Bundesrat ist es nicht nachvollziehbar, dass der Rückgriff auf die Bewertungsreserven und die Trennung bei der Überschussbeteiligung die einzigen Mittel sein sollen, um mit den aktuellen Marktbedingungen umzugehen.

Potsdam, 27.02.2013

Veröffentlicht von:
MUGV

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