Offener Brief der Potsdamer Flüchtlinge - Flüchtlinge entschuldigen sich für die Taten von Köln
Die Flüchtlingshilfe Babelsberg e.V. übermittelt nachfolgend einen Offenen Brief, verfasst und unterzeichnet von Potsdamer Flüchtlingen, gerichtet an die Potsdamer Bürger und Bürgerinnen.
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Offener Brief der Potsdamer Flüchtlinge an die Potsdamer Bürgerinnen und Bürger wegen der Taten von Köln
Wir, die Unterzeichner, sind Geflüchtete aus unterschiedlichen Ländern, die Schutz in Potsdam gefunden haben. Die Taten von Köln sind der Anlass für diesen Offenen Brief.
Vor Terror und Krieg sind wir aus unseren Heimatländern geflohen. Viele von uns haben Ihre Familie für immer verloren. Überall sonst standen wir vor verschlossenen Türen, niemand hat uns Schutz gewährt. Sie, die Bürgerinnen und Bürger von Potsdam geben uns Schutz. Sie geben uns ein Bett und ein Dach über den Kopf, Sie bilden uns aus und ermöglichen uns zu studieren. Sie öffnen Ihre Herzen und Häuser, damit wir eine menschliche Zukunft haben. Viele von uns verdanken buchstäblich ihr Überleben dieser Gastfreundschaft, die Sie, sehr geehrte Potsdamerinnen und Potsdamer, uns gewähren, obwohl wir Ihnen fremd sind. Dafür stehen wir für immer in Ihrer Schuld. Worte können unsere Dankbarkeit nicht ausdrücken.
Deswegen sind wir tief erschüttert von den Taten in Köln und anderen deutsche Städten. Ohne Zweifel sind unter den Tätern auch viele Menschen aus unseren Heimatländern, die, wie wir, in Deutschland Schutz gefunden haben. Das erfüllt uns mit Scham und wir verstehen, dass Sie, verehrte Potsdamerinnen und Potsdamer sehr verunsichert sind. Deutschland hilft selbstlos und wird Opfer gewissenloser Gewalttäter. Das ist für uns unerträglich und wir bitten Sie im Namen aller Geflüchteten um Entschuldigung.
Wir bitten Sie herzlich, uns nicht mit den Gewalttätern der Silvesternacht gleichzusetzen. Wir achten und bewundern Ihre Rechtsordnung und Ihre Werte. Wir haben allerhöchsten Respekt vor den deutschen Gesetzen.
Teil Ihrer Rechtsordnung und Rechtskultur ist die Gleichstellung von Mann und Frau. Wir versprechen diese Gleichstellung zu achten und werden es nicht tolerieren, wenn Geflüchtete diese Gleichstellung durch Wort oder Tat infrage stellen oder gar die persönliche Unversehrtheit der Frau missachteten. Wir werden mit aller Macht verhindern, dass solche Worte und Taten aus unserer Mitte heraus geschehen. Dazu gehört auch die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden.
Dies ist für uns selbstverständlich Grundlage des großzügigen Gastrechts welches Sie uns gewähren.
Sehr geehrte Potsdamerinnen und Potsdamer, wir sind tief beeindruckt von der Hilfe, die wir von Ihnen erfahren. Sie bringen uns warme Kleidung, lehren uns Ihre Sprache, kümmern sich um unserer Kinder und laden uns in Ihre Familien ein. Sie sorgen dafür, dass wir Ihre Werte und Kultur erlernen. Dafür sind wir zutiefst dankbar.
Potsdam ist eine großartige Stadt mit einer wunderbaren Bevölkerung. Wir werden alles unternehmen, um Potsdam durch fleißige Arbeit und Rechtschaffenheit voranzubringen.
Erstunterzeichner:
1. zugleich Verfasser: Amin Aljarmakami, Potsdam-Babelsberg, Swaida (Syrien)
2. Alameen Alaissami, Potsdam-Babelsberg, Swaida (Syrien)
3. Mohammed Hosam Gawish, Potsdam-Babelsberg, Damaskus (Syrien)
4. Mohamod Gawis, Potsdam-Babelsberg, Damaskus (Syrien)
5. Ahmad Almasri, Potsdam-Babelsberg, Damaskus (Syrien)
6. Wassem Jawish, Potsdam-Babelsberg, Damaskus (Syrien)
7. Murhaf Jawish, Potsdam-Babelsberg, Damaskus (Syrien)
8. Hussein Khalil, Potsdam-Babelsberg, Damaskus (Syrien)
9. Wael Nahas, Potsdam-Babelsberg, Homs (Syrien)
10. Basel Murei, , Potsdam-Babelsberg,, Damaskus (Syrien)
11. Sami Alkawarit, , Potsdam-Babelsberg, Damaskus (Syrien)
12. Ali Khaddam, Potsdam-Babelsberg, Damskus (Syrien)
13. Abdullah Shasha, Potsdam-Babelsberg, Aleppo (Syrien)
14. Ziad Khlif, Potsdam-Babelsberg, Damaskus (Syrien)
15. Suleiman Alkhaled, Potsdam-Babelsberg, Damaskus (Syrien)
16. Yahia Yakan, Potsdam-Babelsberg, Aleppo (Syrien)
17. Mazen Seed, Potsdam-Babelsberg, Swaida (Syrien)
18. Mohammed Altall, Potsdam-Babelsberg, Damaskus (Syrien)
19. Amer Khattab, Potsdam-Babelsberg, Damaskus (Syrien)
20. Faisal Okla, Potsdam-Babelsberg, Al-Hassak (Syrien)
21. Ali Okla, Potsdam-Babelsberg, Al-Hassak (Syrien)
22. Mukhtar, Potsdam-Babelsberg, Afghanistan
23. Taseel-Khan, Potsdam-Babelsberg, Afghanistan
24. Mirsakol Htak, Potsdam-Babelsberg, Afghanistan
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Über diesen Offenen Brief:
Anlässlich des Willkommensfests der Flüchtlingshilfe Babelsberg e.V. am 10.1.2016 im Lindenpark haben Potsdamer Flüchtlinge sich öffentlich von den Taten der Silvesternacht in Köln distanziert und die Flüchtlingshilfe Babelsberg e.V. um Unterstützung bei der Abfassung und Übersetzung des oben stehenden Offenen Briefes und bei der Koordinierung der Pressearbeit hierfür gebeten. Dieser Bitte kommt die Flüchtlingshilfe Babelsberg e.V. gerne nach. Weitere Flüchtlinge unterzeichnen derzeit den Offenen Brief, der in allen Potsdamer Flüchtlingsunterkünften zirkulieren soll, sodass in den kommenden Wochen die Unterzeichnerliste weiter anwachsen wird. Der Offene Brief ist abrufbar unter www.fluechtlingshilfe-babelsberg.de.
Über die Flüchtlingshilfe Babelsberg e.V.
Seit November 2015 sind 88 Flüchtlinge, v.a. aus syrischen Bürgerkriegsgebieten dauerhaft in Leichtbauhallen in Potsdam-Babelsberg untergebracht. In der Flüchtlingshilfe Babelsberg haben sich seitdem über 350 BabelsbergerInnen zusammengeschlossen um den Flüchtlingen, den Trägern der Unterkünfte und der Stadt Potsdam bei der Integration der Neubabelsberger zu helfen. Ziel ist, die in Flüchtlinge in Babelsberg und Potsdam willkommen zu heißen, ihnen im Alltag mit Rat und Tat zur Seite zu stehen und bei der Integration nachbarschaftlich zu unterstützen. Hierzu sind alle BabelsbergerInnen herzlich eingeladen.
Die Helfer der Flüchtlingshilfe Babelsberg haben sich in Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themengebieten, wie z.B. Sprache, Begleitung, Freizeit, Sachspenden oder Veranstaltungen organisiert. Die Arbeitsgruppen arbeiten selbständig und jeder Interessierte kann sich auf der Webseite www.fluechtlingshilfe-babelsberg.de zum Mitmachen melden. Beispielsweise hat die Flüchtlingshilfe Babelsberg Im Januar ein großes Nachbarschaftsfest mit rund 600 Besuchern veranstaltet, eine Fahrradwerkstatt aufgebaut, alle Flüchtlinge mit gespendeter Winterkleidung versorgt und veranstaltet mit Dutzenden von Helfern zusätzliche Deutsch-Sprachkurse für die Flüchtlinge. Bei ihren Aktionen kooperiert die Flüchtlingshilfe Babelsberg eng mit anderen Babelsberger Institutionen, z.B. mit dem Hasso-Plattner-Institut, der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam, dem Projekthaus Babelsberg, mit dem Lindenpark, den Babelsberger Kirchgemeinden oder den Babelsberger Schulen, wie z.B. mit der Katholischen Marienschule.
Derzeit arbeitet die Flüchtlingshilfe Babelsberg zum einen daran, Strukturen zu schaffen, um Flüchtlinge beim Eintritt in den Arbeitsmarkt zu unterstützen. Denn sobald die Flüchtlinge ausreichend Deutsch können, ist dies der nächste wichtige Schritt zur Integration. Zum anderen bereitet die Flüchtlingshilfe Babelsberg sich darauf vor, weitere Flüchtlinge zu begleiten, denn in den kommenden Wochen werden zusätzlich 60 Flüchtlinge, v.a. Familien mit Frauen und Kindern in Babelsberg untergebracht.
Potsdam, 18.01.2016Veröffentlicht von:
Flüchtlingshilfe Babelsberg e.V.
